AMART Ausstellung Ladislav Černý 2016

Künstlerische Einführung

Galerie AMART | Wien, 23. April 2016


Welche Erwartungen haben Sie an Kunst? Der Komponist Peter Ruzicka beispielsweise versteht Kunst als „eine stets erneuerbare Energie, die ein Gegengewicht zum geistlosen Wettlauf darstellt. Ein ästhetisches Mittel zur Differenzierung und Urteilsschärfung". Der Kunstkritiker Wolfgang Ullrich meint, ,,Kunst sei immer dann gelungen, wenn sie uns hilft unser alltägliches Leben wieder ein wenig „neu" wahrzunehmen und zu interpretieren." Georg Baselitz, der deutsche Maler und Bildhauer, spricht sich „gegen Belehrungen und Apellen an die Moral, als Aufgabe der Kunst" aus. Und der Literaturnobelpreisträger Mario Vargas Llosa beklagt sich über „die zunehmende Banalisierung von Kunst." Seiner Meinung nach sei Kunst mehr und mehr zur Unterhaltung geworden, zu etwas womit man sich eine Zeit lang vergnügen könne. ¹

Die Frage die sich stellt: ,,Sollte oder darf man an Kunst überhaupt Erwartungen knüpfen?" „L'art pour l'art - die Aufgabe von Kunst ist Kunst", so der Slogan der avantgardistischen Kunsthaltung am Ende des 19. Jahrhunderts. Kunst solle sich folglich selbst genügen und somit zweckfrei sein! Ein Standpunkt der so simpel wie logisch scheint. Dass hieraus gerne der Umkehrschluss abgeleitet wird, Kunst sei geradezu verpflichtet sich jeder Kritik zu entziehen, impliziert allerdings erneut Erwartungshaltungen: der Künstler als Verweigerer, als Revolutionär, als Erfüllungsgehilfe, als Dienstleister ...

Welcher Auffassung Sie auch zugetan sein mögen, Ladislav Cerny ist mit Sicherheit kein Künstler, der mit Erwartungshaltungen kokettiert. Er fordert uns als Betrachter, löst Diskussionen aus, lässt Fragen offen. Am 2. November 1965 in Bratislava, in der Slowakei, geboren, studierte Cerny zunächst an der Kunstakademie in Bratislava und anschließend an der Akademie in Dresden. Seine Arbeiten waren unter anderem in Ausstellungen der Slowakei, in Großbritannien, Frankreich, Tschechien, Ungarn und Polen zu sehen. Er ist Mitglied dreier Künstlergruppen in der Slowakei. Neben den klassischen Techniken der Bildenden Kunst: der Malerei und der Skulptur, widmet sich Cerny auch der Objektkunst. Die Galerie Amart zeigt als erste österreichische Galerie im Rahmen einer Einzelausstellung einen Querschnitt seines künstlerischen Schaffens der vergangenen zehn Jahre. Obgleich es das „typische CernyKunstwerk", wie dies Benedikt Mairwöger, der Galerist von Amart, richtig bemerkt nicht wirklich gibt, so lassen sich dennoch Parameter erkennen, die auf „seine Kunst" verweisen. Zum einen sind diese am Motiv seiner Arbeiten festzumachen, die das menschliche Sein, aus der Sicht seiner ganz persönlichen Wahrnehmung und Empfindung widerspiegeln. Zum anderen finden wir diese in seiner Farben- und Formensprache, die uns als Betrachter unvermittelt, in einer für Cerny charakteristischen, expressiven „Wuchtigkeit" gegenüber tritt. Eine Direktheit, die den Betrachter anzieht, ihn vereinnahmt, ihm jedoch nicht immer den Zugang eröffnet. Ein „CernyWerk" entsteht eben nicht aus dem Bedürfnis heraus unser beschauliches Zuhause zu schmücken. Ein „C:erny-Werk" entsteht um seiner Selbstwillen. Hierin spiegelt sich das gesamte Spektrum seines Lebens wider, eingebettet zwischen Geburt und unabwendbarem Tod. Hier finden Begegnungen, Berührungen und Beziehungen statt. Hier trifft Liebe auf Leiden und Schmerz, Sexualität auf Moral und Sterben.

Selbst vermeintlich harmonisch, zwischenmenschliche Begegnungen, wie jene in den Bildern „Berührung" und „Umarmung", scheinen bei Ladislav C:erny kompliziert. So vermitteln die Protagonisten in „Berührung" auf den ersten Blick achtsame Annäherung. Infolge entsteht aber ein Gefühl von Distanziertheit oder gar Abwehr. Und auch jene, in pastelliges Rosa getauchte Szene „Umarmung" erweckt mitunter den Eindruck eines Ringens, mehr denn als zärtliche Verbundenheit. C:ernys Arbeiten zeigt sich komplex, verworren, verstrickt - niemals belanglos und schon gar nicht trivial. Auch sein Bild der „Harmonie" gibt Rätsel auf. Welche Auffassung von Harmonie, fragen wir, verbirgt sich hinter jener expressiven Farbigkeit? In „Gewissen" ist die Symbolik durchschaubarer. Hier meldet sich kräftiges Rotorange und helles Gelb lautstark als moralisches Bewusstsein, als Pflicht- und Schuldgefühl zu Wort. Weiß begrenzt unschuldig die Bildfläche und schwarz blickt uns die Wahrheit mit ihrem Antlitz entgegen.

Es sind die Farben, die Kontraste und die Kraft der Pinselführung, die uns Weltschmerz signalisieren. ,,Künstler wird man aus Verzweiflung", stellte Ernst Ludwig Kirchner seinerzeit fest. Und Cerny? Ich habe ihn noch nicht danach gefragt. Vermutlich lässt er ohnehin die Antwort offen ...

Wie in seiner Malerei beschäftigt er sich auch in seinem skulpturalen Werk mit allen Prägungen unserer menschlichen Existenz. Hier stehen einander Widerstand und Formbarkeit, Wärme und Kälte in den von ihm verwendeten Materialien, polygromierter Gips und Stahl, gegenüber. In „Beziehungen" durchbricht schwarzer Stahl die vermeintliche Verbundenheit, sodass wir uns beim Anblick der ringförmigen Plastik unvermittelt auf die Suche nach dem „Ende" jener Beziehung begeben. Außerordentlich gefühlvoll seine „Zärte". Man ist sogar versucht die Urheberschaft des Werkes in Frage zu stellen. Aber auch das ist Cerny: hinter aller Monumentalität und expressiver Direktheit verbirgt sich Empfindsamkeit und Verletzlichkeit. Festzuhalten ist dennoch, dass Ladislav Cerny in all seinen Werken mit Sicherheit keine ästhetischen Bedürfnisse bedient. Er gestattet keinen oberflächlichen Kunst-Konsum. Er mutet uns Kunst zu! Hier prallt Gelb auf Rot, Rot auf Schwarz und Schwarz trifft auf Weiß: Gelb symbolisiert die Lebendigkeit in „Entstehung" - Schwarz und Rot das Leiden der „Pieta" - Rot ist auch der Tod in „Kreuzigung". Und dazwischen? Dazwischen begegnen uns sämtliche nur denkbaren Glücksmomenten und Tragödien des Lebens.

Lydia Altmann, Kunsthistorikerin

Ort

Galerie AMART
Schäffergasse 20
1040 Wien
Österreich